Der Garonne-Kanal ist tatsächlich der zweite Teil des Kanals zwischen den beiden Meeren, der seit Jahrhunderten von den römischen Kaisern und den Königen Frankreichs erdacht wurde. Pierre-Paul Riquet, der Schöpfer des canal du Midi hatte dies auch in seinem ersten Projekt vorgesehen. Aber der Umfang der Arbeiten und der erforderlichen Geldmittel im Bereich des Languedoc erlaubten es ihm nicht, das Gesamtprojekt durchzuführen.
Für die Schifffahrt war immer die Verbindung zwischen Mittelmeer und Atlantik ein Erfordernis : angefangen vom gallischen « Isthmus », dann durch die Garonne. Aber dieser Fluß ist schwer schiffbar. Das liegt an seiner launischen Wasserführung. insbesondere an seinem hydrologischen Regime zu Zeiten der Schneeschmelze. Die Schneeschmelze bringt Hochwasser im Frühling, während der Sommer durch Niedrigwasser charakterisiert ist. Erinnern wir uns an die letzten grossen Hochwasser : am 23. Juni 1875 starben 200 Personen in Toulouse und am 3. März 1930 wurde Moissac verwüstet, dabei gab es fast 120 Tote und 6000 Obdachlose. Ebenfalls zu beachten : die schwachen Tiefen des Flusses an gewissen Stellen, wie flussabwärts von Toulouse und Moissac, die das Problem des niedrigsten Wasserstands verstärkt. Die Schifffahrt auf der Garonne war also seit Jahrhunderten schwer, gelegentlich auch für die Schiffer mit Gefahr verbunden.
Danke an Jean-Claude J. für seine Übersetzung.
Am Anfang des 19. Jahrhunderts wird der Vorteil des Baus eines Garonne-Seitenkanal aufgrund der Sicherheit und Beherrschung der Kosten für alle erkennbar.
Am 17. 12. 1828 verpflichtet eine Verordnung, die Baudedingungen dieses Kanals zu untersuchen. Diese Aufgabe wird einer privaten aus Bordeaux, der Cie Magendie, genauer gesagt Alexandre Doin, anvertraut. 1832 stellt Alexandre Doin in einem Gutachten alle Vorteile des zukünftigen Kanals vor. In diesem Dokument werden die Schifffahrtskosten auf dem Kanal und per Eisenbahn gegeneinander abgewägt, ebenso wie die Kosten eines Schifftransports über Gibralta oder auf einem Pyrenäen-Kanal. Dieses war ein anderes Projekt mit einer Binnenverbindung bis Bayonne und einem Kanal oberhalb von Toulouse, der dann nach Überquerung des « Plateau von Lannemezan » mit dem Fluss Adour verbinden werden sollte.
Das Projekt des Garonne-Seitenkanal wird auf Kosten der Cie Magendie entworfen. 1830 beauftragt diese Gesellschaft - im Einverständnis mit dem Staat - Jean-Baptiste de Baudre, den Divisionsinspektor für Brücken und Fahrbahnen, mit der technischen Ausführung dieses Projekts. J-P de Baudre war schon 1825 in Agen beauftragt worden, an einem verbesserten Wassertransport auf der Garonne zu arbeiten. Baudre ist überzeugt, daß der Kanal die beste Lösung ist. Dieser ihm von der Cie Magendie anvertraute Auftrag wird für ihn die günstige, lang erwünschte Gelegenheit, an einem grossen Projekt zu arbeiten. Unterstützt von hoch qualifizierten Ingenieuren, wie Jean-Gratien de Job, ist Jean-Baptiste de Baudre als der "Vater" des Garonne-Kanals betrachtet. Genau wie Pierres-Paul Riquet beim Bau des Canal du Midi wird J-B. de Baudre das Ende der Bauarbeiten des Garonne-Seitenkanals nicht sehen. Er stirbt 1850.
1839 wird der Auftrag bestätigt und die Bauarbeiten können gleichzeitig und an verschiedenen Stellen anfangen. Mit großem Prunk legt der Herzog von Orléans, ältester Sohn von Louis-Philippe, in Begleitung seiner Gattin, der Fürstin Helene von Mecklenburg (bekannt durch den von ihr eingeführten populären Brauch des Weihnachtsbaums), am 25. August 1839 den ersten Stein des Aquäduktskanals von Agen.
Die Arbeiten gehen voran. 1845 erlaubt die erste Wasserflutung den Booten, den neuen Hafen von Moissac zu erreichen. 1848 ist auch Agen durch diese Wasserstrasse mit Toulouse verbunden.
Jedoch, am Anfang des Jahrzehntes 1840, ist Frankreich bei der Entwicklung der Eisenbahn nicht so weit voran wie das Vereinigte Königreich oder Deutschland. Erst 1837 datiert die erste Linie für Personenzüge zwischen Paris und St-Germain-en-Laye. Zu bemerken ist, daß diese Eisenbahnlinie von den Brüdern Émile und Isaac Pereire vorgeschlagen und finanziert wird. Diese Bankiers und Geschäftsleute werden auch etwas später in der Geschichte des Garonne-Seitenkanals aktiv auftreten. Mit dem Gesetz vom 11. Juni 1842 bringt die Regierung die " Charta der Eisenbahn " in Gang, die schnelle Ausdehnung des Eisenbahnnetzes und die Gründung von Hauptlinien, von Paris aus, aber auch Querlinien, plant. Die riesigen und schnellen von den neuen Bahngesellschaften erzielten Gewinne reizen den Gier zahlreicher Spekulanten. Die Konzessionen werden vom Staat für mehrere Jahrzehnte gewährt, was den Spekulanten die Rentabilität zusichert. Der Zug, das ist die Zukunft! So beginnt kurz nach 1850 der Bau der Eisenbahnlinie zwischen Bordeaux und Sète via Toulouse. Die Inbetriebsetzung soll sich zwischen 1855 und 1858 etappenweise vollziehen.
1850 stößt der Bau des Garonne-Seitenkanals auf finanzielle Probleme. Die Frage der Verfolgung der Bauarbeiten wird dann gestellt, mit Rücksicht auf die kommende Konkurrenz der geplanten Eisenbahn. Die Zahl der Gegner des Kanalprojekts nimmt zu und die sind von grossem Einfluß. Manche schlagen sogar vor, den unvollendeten Kanal zuzuschütten, um Gleise darauf zu legen. Untersuchungen werden vom Minister der Öffentlichen Arbeiten Pierre Magne bei den örtlichen gewählten Vertretern angestellt und das Ergebnis ist unwiderruflich: das bedeutet den Tod des Kanals in seinem Teil unterhalb von Moissac, und Folgen sind auch um den Canal du Midi zu befürchten.
Aus wirtschaftlichem Interesse unterstützen die Stadt von Bordeaux sowie einige Kommunen am linken Ufer der Garonne (die beim zukünftigen Eisenbahnprojekt vergessen wurden) das Kanalprojekt. In Betracht auf die für den Kanal schon aufgebrachten Kosten entscheidet sich der Staat für den Weiterbau der Wasserstrasse. Und so gewährt das Gesetz vom 8. Juli 1852 der Eisenbahngesellschaft die doppelte Konzession des Schienenweges und des Kanals. Die Konzession wird für die Dauer von 99 Jahren festgelegt. So wird die « Cie der Eisenbahnen du Midi und des Garonne-Seitenkanals » gegründet. Das Gesetz bestimmt die gleichzeitige Fertigung des Kanals und des Schienenwegs. Das Los der beiden Wege ist von jetzt an verbunden ! Aber mit dem Brüdern Pereire, die am 24. August 1852 die Kontrolle der neuen Gesellschaft übernehmem, ist das Schicksal des Kanals besiegelt !
Nach diesen rechtlichen und politischen Vorkommnissen und trotz des Überschreitens des gewährten Budgets halten die Arbeiten ihren Gang. So können die Boote 1852 von Toulouse bis zur Baïse und ein Jahr später bis zum Dorf Mas d'Agenais fahren.
Am 12. März 1856 wird der Garonne-Seitenkanal offiziell für die Schifffahrt bis Castets-en-Dorthe an der Gironde freigegeben. Einige hunderte bis mehrere tausende Männer und Frauen haben 17 Jahre lang an diesem Projekt gearbeitet, um dieses fehlende « Kettenglied » des Verbindungsprojekts der beiden Meere zu realisieren.
Parallel mit dem Kanal wird am Eisenbahnprojekt fleissig gearbeitet. Von Bordeaux aus fahren die ersten Züge im Mai 1855 nach Langon, im Dezember 1855 bis Tonneins und im August 1856 bis Toulouse. Es ist interessant zu bemerken, dass die Schienenlinie und der Kanal entgegengesetzt gebaut wurden.
Wenn der Garonne-Seitenkanal den Wassertransport auf der Garonne schnell ersetzt, wird dieser Aufschwung für die « sapines » und « coutrillons » von kurzer Dauer sein. Die Eisenbahngesellschaft, welche – wie schon gesagt – die Eisenbahnlinie und den Kanal verwaltet, wird dem letzten einen harten Schlag bringen. Die Maut auf dem Kanal wird verdreifacht (von 2 bis auf 6 cts/t/km), was den Preis auf den beiden Verbindungsstrecken auf die Quasigleichheit bringt. Geschwindigkeit und Genauigkeit werden zum « Sieg » der Eisenbahn führen, was der Gesellschaft grosse und schnelle Gewinne versichern wird.
Der Staat wird dem Kanal den « Gnadenstoss » geben. Der Vertrag vom 29. Mai 1858 und die Verordnung vom folgenden 21. Juni gewähren der Eisenbahngesellschaft die Bewirtschaftung des Canal du Midi für eine Dauer von 40 Jahren. Trotz des dadurch entstandenen Streites verfügt die Gesellschaft das Transportmonopol im Südwesten Frankreichs. Das führt dazu, dass am Ende des XIX. Jahrhunderts zahlreiche Schiffer auf ihre Tätigkeit verzichten werden.
Der Verkehr auf dem Kanal wird begrenzt bleiben (25 000 t) und wird nur während der Hochwasserperiode lebhaft. Am 5. August 1879 kommt wieder Hoffnung auf, mit einem Gesetz, das die Modernisierung aller französischen Kanäle nach dem « Mass Freycinet » festsetzt. Leider fallen die Kanäle « du Midi » wegen Mangels an Geld und Interesse nicht unter dieses Gesetz. Wie seltsam ! Zu bedenken ist, dass Charles Louis de Saulces de Freycinet, der zwischen 1877 und 1879 Minister der Bauarbeiten der öffentlichen Hand ist, vor 1870 Betriebsleiter der Gesellschaft der Eisenbahnen des Midi gewesen ist. Auch nicht zu unterschätzen ist, dass Charles de Freycinet 1878 eim umfassendes Programm zum Bau von Schienenwegen aufstellt, die alle "Unterpräfekturen" verbinden sollen. Die Interressenkonflikte sind manchmal schwer zu schlichten !
Angesichts dieser katastrophalen Verwaltung des Flusshandels nimmt der Staat schliesslich im November 1879 die Verwaltung des Kanals der beiden Meere zu sich zurück und wird am 1. Januar 1898 dessen Eigentümer. Die Cie der Eisenbahn du Midi und des Garonne-Seitenkanals ist selbstvertändlich finanziell (mit mehreren zehn Millionen Franken der Epoche) entschädigt. Nach der Abschaffung der Schifffahrtsgebühren und einem 1903 geführten Modernisierungsprogramm setzt sich der Verkehr fort (75 000 t /1897 – 150 000 t / 1903). Im Ersten Weltkrieg werden alle Projekte zu den Akten gelegt, und für eine noch längere Zeit. Gegen 1930 verschwindet das Pferde-Treideln. Die Ankunft der motorisierten Boote ist ein wichtiger Fortschritt. Auf dem Kanal fahren die ersten Schaufelrad-Dampfboote, die sich dessen Breite anpassen. Etwas später – 1974 – wird der Wasserhang von Montech in Dienst gesellt, Schleusen werden verlängert und automatisiert, was die Schifffahrt erleichtert. 1990 wird aber die Modernisierung des Kanals endgültig aufgegeben.
Bis in die 70er Jahre dem Handel gewidmet, wird dann Schifffahrt auf dem Garonne-Seitenkanal – genau wie auf dem Canal du Midi – zum « Vergnügungsverkehr ». Die Mietsboote machen mehr als 70% des Gesamtverkehrs aus, mit 20% für die privaten Schiffe und ungefähr 6% die Passagierboote. 2000 gibt der Frachtkahn « Babette » seine Tätigkeit endgültig auf : es war das letzte Handelsschiff. Auch wenn die Sache unter diesem touristischen Gesichtspunkt nicht zu unterschätzen ist, wäre die Benutzung des Kanals als Handelswasserstrasse – nach dem Vorbild der Kanäle in Nordfrankreich - eine Alternative im Beförderungsproblem der Fracht.
Heute wächst der Touristenverkehr : durchschnittlich 1 200 Boote pro Jahr (bis 2 000 Booten auf der Strecke Montech-Mas d'Agenais). Nicht so befahren wie der Canal du Midi mit seinen 5 000 bis 7 000 Fahrten hat der Garonne-Seitenkanal zahlreiche Trümpfe, um Sie zu ermuntern, ihn auf dem Fahrrad, zu Fuss oder mit dem Hausboot, im Schatten seiner Bäume zu entdecken.
Danke an Jean-Claude J. für seine Übersetzung.